Denkmal für die Reußner Opfer von Krieg und Deportation.

Feierliche Einweihung und tragisches Ende


Genau vor einem Jahr (August/September 2005) reiste Johann Lauer (06.09.1927-09.08.2006) an den Ort der Deportation in die ehemalige Sowjetunion, nach Dnjepropetrowsk in die Ukraine (vgl. SbZ Folge 18 vom 15. November 2005, Seite 24  unter dem Titel: Rückkehr an den Ort der Deportation, ein umfangreicherer Beitrag findet sich hier auf diesen Seiten: Deportation: Eine Reise in die Vergangenheit ).

In Dnjepropetrowsk stellte er fest, dass die Gräber eingeebnet wurden und ein Stadtpark errichtet wurde. Die Gebeine der Verstorbenen waren nach Informationen der Stadt in ein Massengrab verlegt worden und eine Denkmal errichtet. Auf dem Denkmal waren nur russische Namen verzeichnet. Danach wollte er unbedingt für die im Krieg und in der Deportation verstorbenen Reußner auf dem Friedhof in Reußen eine Gedenktafel errichten. Dies hat das Handeln in seinen letzten Monaten geprägt. Er wollte unbedingt, dass dies bis zum Reußner Treffen am 5. August 2006 eingeweiht wird. Er fuhr deshalb dreimal allein in diesem Jahr nach Rumänien.


Einweihung des Denkmals auf dem Reußner Friedhof am 05.08.2006
Pfarrer Seidner und Pfarrer Reger (Rücken)
Georg Hihn und Johann Lauer senior

Nach einem Entwurf von Architekt Dr. Hermann Fabini wurde das Denkmal auf dem Reußner Friedhof errichtet und von Johann Lauer sen. finanziert. Hier sind die Namen der 18 in der sowjetischen Deportation und 32 im Zweiten Weltkrieg verstorbenen Reußener verzeichnet.

Das diesjährige Heimattreffen, das 6. Reußner-Treffen in Siebenbürgen,  stand im Zeichen des Gedenkens an die Opfer von Krieg und Deportation. Nach dem Abendmahlsgottesdienst, der  von Pfarrer Walther Seidner aus Stolzenburg/Slimnic und dem aus Reußen stammenden Pfarrer aus Kerz/Carta Michael Reger gingen alle zum Friedhof. Voran gingen mit einem Kranz Johann Lauer sen. und Georg Hihn. Sie waren 5 Jahre lang zusammen in Lager Nummer 1416 in Dnjepropetrowsk gewesen.  Das Mahnmal wurde am Samstag den 05. August 2006 von den beiden Pfarrern geweiht.

Einhergegangen ist die Errichtung des Gedenksteines mit einer detaillierten Dokumentation über das Deportationsgeschehen, dessen Ergebnisse Johann Lauer sen. vorstellte.

1941 lebten 627 Siebenbürger Sachsen in Reußen. Im Januar 1945 wurden 93 Personen, davon 19 Frauen, 38 Mädchen, 26 Männer und 10 Jungen in die Sowjetunion verschleppt. 18 Personen verstarben in der Deportation in der ehemaligen Sowjetunion, zurück blieben 17 Frauen mit 77 Kindern, die jünger waren als 14, 33 Kleinkinder blieben bei den Großeltern zurück, eines gar bei fremden Leuten.32 fielen im Zweiten Weltkrieg (die vollständige Dokumentation wird demnächst im Internet veröffentlicht unter: http://www.siebenbuergersachsen.de/reussen/).


Denkmal auf dem Reußner Friedhof mit dem Titel:
"Die Toten ermahnen zum Frieden".
Links der Kranz für die Opfer von Krieg und Deportation,
daneben die für Johann Lauer senior.

Vier Tage später, am 9. August 2006 erlitt Johann Lauer senior im Gästehaus von Weidenbach einen Herzinfarkt. Pfarrer Klaus Martin Untch, der die Gemeinden Helsdorf, Zeiden und Weidenbach betreut, setzte während des Todeskampfes alle Hebel in Bewegung, um das unvermeidliche zu verhindern. Kurze Zeit nach Eintritt des Todes hat er den Verstorbenen an Ort und Stelle, im evangelischen Pfarrhaus von Weidenbach gesegnet, seinem Sohn, seinem Enkel und dessen Freundin Trost gespendet. Weiterhin stimmte er zu, dass der Leichnam in der Sakristei aufgebahrt wurde. Am nächsten Tag um 8 Uhr nahm er die Aussegnung in der Kirche vor. . Seine Leistung kann nur dann gebührend gewürdigt werden, wenn man weiß, dass Pfarrer in Siebenbürgen in ähnlichen Fällen die Segnung verweigerten und die Hinterbliebenen mit kirchenrechtlichen Spitzfindigkeiten belästigten, statt das zu tun, was wir und unsere Vorfahren von einem Pfarrer verlangen: den toten Segnen und den Angehörigen Trost spenden.

Herrn Wolf und mehrere namentlich den Hinterbliebenen leider nicht bekannten alten Menschen halfen, dass der Tote in würdiger Weise, so wie dies in Siebenbürgen üblich ist, aufgebahrt wurde. Die Anwesenden Gemeinderatsmitglieder stimmten zu, dass der Tote, nachdem er nicht in der Sakristei aufgewahrt werden konnte, es waren zu wenig starke Männer da, den Toten in der Kirche aufzugewahren, obwohl dies nach alter Tradition nicht möglich war.

Im Kerzer Pfarrhaus hat der Verstorbene seine letzte Nacht vollbracht, hier bei einer exelenten Bewirtung durch die Frau des Pfarrers, Anna Reger, und dem Pfarer Reger verbrachte er seine letzten schönen Stunden.

Pfarrer Reger, dessen Mutter aus Reußen stammt, ist hier seit über 10 Jahren Pfarrer. Hier betreut er mehrere siebenbürgisch-sächsische Gemeinden. Dass bedeutet für ihn, dass er Sonntag für Sonntag am Steuer eines Kleinbusses über die Gemeinden fährt, die oft sehr alten und kranken Gläubigen sammelt und abwechselnd in einer Gemeinde den Gottesdienst hält. Dazu den alten und kranken Menschen auch oft in ganz praktischen Fällen des täglichen Lebens beistehen muss. Der in Hermannstadt, ca. 50 km entfernt ein halbes Deputat Religionsunterricht erteilt, zwei Schweine zum schlachten züchtet, den Schnaps selber brennt. Fast täglich Besucher aus der ganzen Welt durch die ehemalige  Zisterzienserabtei führt. Weiterhin das große Anwesen in Schuss halten muss. Wir trafen ihn, bei der Reparation des Zaunes, der mutwillig in der Nacht von randalierenden Jugendlichen zerstört wurde.

Im Pfarrhaus war auch der Vater des Pfarrers, der nach zwei Schlaganfällen pflegebedürftig ist, trotzdem wurden vier Besucher wärmstens bewirtet. Ein Pfarrer, der bei all den Schwierigkeiten für jede tröstende Wörter findet und eine unbändige Lebenslust ausstrahlt. Er erzählte fast am laufenden Band Witze. Witze die seinem kranken Vater regelrecht ein Lächeln aufs Gesicht erzwangen. Seine letzten schönsten Stunde verdankt der Verstorbene diesem wunderbaren Menschen und dessen Gattin, Anna Reger. Er war voller Anerkennung und Bewunderung, die er danach mehrmals kundtat, diesem Menschen gegenüber, den er schon als rostfrechen Bengel kannte.

Pfarrer Reger hat auch 25 Stunden nach dem Ableben einen Gedenkgottesdienst in Reußen gehalten. Danach wurde in Begleitung von ca. 60 Reußnern ein Kranz auf das vom Verstorbenen im Alleingang erstellte und auch finanzierte Gedenktafel gelegt. 5 Tage nach Einweihung der Gedenktafel wurde der erste Kranz für ihn gelegt. Lorenz Bausmerth hat, so wie dies in Reußen Sitte ist, abgedankt und neben Pfarrer Reger bewegende Worte gefunden. Auch ihm sei gedankt.

Der Verstorbene war hoch zufrieden, sowohl mit der Ausführung des Denkmals als auch mit der würdevollen Einweihung desselben. Das letzte, was er gelesen hat, war der Bericht in der ADZ über die Einweihung des Denkmals (vgl. Zukunft braucht Herkunft. Beim sechsten Reußener Heimattreffen notiert / Von Hannelore Baier)

Der Verstorbene Johann Lauer war genau wie die Mehrheit der Siebenbürger Sachsen Stolz auf das Erbe unserer Vorfahren. Die wirren des 20. Jahrhunderts brachten es mit sich, dass er genauso wie die überwältigende Mehrheit von uns unsere sichtbaren historischen Zeugnisse, Kirchen, Burgen, Häuser, unsere seit über 8 Jahrhunderte Angestammte Heimat verlassen mussten. Umso mehr hat er sich an unser „unsichtbares Gepäck" u.a. den erlernten und erworbenen Handlungsmaximen geklammert. Es sind die Normen, nach denen ein einzelner sowie eine Gemeinschaft ihr gesamtes Handeln ausrichten und damit wesentlich zur Identität derselben gehören.

Nach seiner Meinung war trotz einer 800 jährigen Tradition kein menschenwürdiges Leben für ihn und seine Kinder in diesem Land möglich, daher hat er die Strapazen der Übersiedlung mit 54 Jahren auf sich genommen und alle dortigen Sicherheiten (Haus und Hof) geopfert. 1981 hatte er das Glück aus dem damaligen kommunistischen System auszuwandern. Mit 54 Jahren war er bereit mit einem Koffer in der Hand nochmals ein neues Leben hier in der Bundesrepublik aufzubauen. Er kam hier nicht, wie dies die Mehrheit der Bundesbürger glaubt, weil die Bananen vom Himmel fallen. Auch Hinterwäldler, Menschen, die Jenseits der Wälder, in Transylvanien wohnen, wussten, dass man auch in Deutschland seinen Unterhalt verdienen musste.

Er war der Auffassung, dass wir Siebenbürger Sachsen unser „unsichtbares Gepäck" nur hier in der Bundesrepublik bewahren konnte. In einem Land, in dem der erste Artikel des Grundgesetzes lautet, „Die würde des Menschen ist unantastbar" und in dem auch die Bedingungen existieren, so dass dies für jeden auch möglich ist.

Ca. 16 Jahre war er Presbyter in der Gemeinde Reußen, konnte sich ein Haus kaufen und renovieren. In Deutschland war er ca. 10 Jahre 2. Sprecher der Heimatsortsgemeinschaft (HOG) Reußen. Insbesondere in den 80gern Jahren als in Rumänien die Lebensmittelmangel am größten war, hat er seine Freizeit dafür eingesetzt, möglichst viele Pakete nach Rumänien zu verschicken. Dabei hat er die Pakete an Freunde und Verwandte selber bezahlt. Alle anderen musste er einen Brief schreiben und so tun, als komme das Paket von ihm, obwohl die Pakete von gemeinnützigen Organisationen stammten, da Rumänien damals keine Unterstützungsleistungen von Organisationen erlaubte.

Als minderjähriger, mit 17. Jahren wurde er im Januar 1945 in die damalige Sowjetunion deportiert. Hier erlebte er Hunger und Kälte und musste mit ansehen, wie viele Leidensgenossen den Hungertod fanden. Kaum zurückgekehrt wurde er in die rumänische Armee als Arbeitssoldat eingezogen. Er musste in Deva, bei Fogaras und am Donaukanal dienen.

Mittlerweile konnte er neben deutsch und rumänisch auch russisch fließend sprechen und schreiben. Daher wurde er im Militär angesprochen Politoffizier zu werden. Der Offizier, der in ansprach hatte selber nur 4 Klassen, also fünf weniger und konnte nur rumänisch. Er hat darauf verzichtet, durch nachplappern von Parolen ein gutes Leben zu führen und hat seine Militärzeit als einfacher Soldat beendet.

Das kommunistische System hat auch ihn korrumpiert, weil das Überleben ohne Bestechung nicht möglich war, er hat den Polizisten aber lieber einen Eimer Schnaps gegeben als über seine Nachbarn Informationen abzuliefern.

Traurig geradezu verbittert war er, dass der Gemeinderat in Reußen drei Eschen auf dem Friedhof fällen ließ. Für ihn war dies eine Störung der Toten Ruhe, hieß es doch seit Generationen in Reußen, „Nur unter den drei Eschen finden wir unsere Ruhe".

Deshalb fand er keine Ruhe, vor ein paar Jahren hat er 25 Eschbäume auf den Friedhof gesetzt, davon sind 6 angegangen. Hoffentlich bleiben wenigstens drei übrig.

Er ist wie alle Siebenbürger Sachsen in einem multikulturellen Umfeld aufgewachsen, d.h. er hatte keine Probleme damit, wenn jemand eine andere Lebensweise pflegte, eine andere Religion hatte, eine andere Sprache sprach oder andere Bräuche und Sitten als verbindlich erachtete. Jeder sollte nach seiner Facon selig werden, wie dies der alte Fritz sagte. Ein anderer Preuße, Immanuel Kant, lehrte uns, dass die negative Freiheit, tun und lassen, was man will, nur die Voraussetzung der positiven Freiheit ist, die nicht nur autonome Entscheidungen forderte, sondern auch eine moralische Fundierung des eigenen Handelns. Null-Toleranz hatte er, jedem Einzelnen und Handlungsweisen gegenüber, wo er keine moralische Fundierung sah bzw. erkennen konnte. Seine Urteile hat er nicht für sich behalten, weder diese unter vorgehaltener Hand weitererzählt, sondern für die Betroffenen auf die unangenehmste Art gefällt, er hat Ihnen diese sozusagen auf dem Tablett serviert.

Über die einzelnen Urteile zu sprechen ist müßig. Ob diese richtig waren oder nicht muss jemand anders richten. Er hat auch zeitlebens nicht die Kraft gefunden, denen zu verzeihen, die sich als willige Instrumente einem verbrecherischen System zur Verfügung gestellt hatten. So hat er auf seiner letzten Reise gesagt, „dort wohnte die Dolmetscherin, die Bekannte und Freunde verraten hat."

Der Verstorbene hatte zeitlebens ein sehr kritisches Verhältnis zu Pfarrern, insbesondere zu den (Schein)Heiligen. Er hat mit großer Annerkennung über die Leistungen von Pfarrer Reger aber auch Pf. Seidner gesprochen, auch Pfarrer Untch hätte seine volle Anerkennung bekommen, sofern er ihn kennen gelernt hätte.

Er war tief bewegt davon, dass es in Siebenbürgen noch Menschen gibt, die im Dienst an der Gemeinschaft aufgehen und die nicht nur wissen, was zu tun ist, sondern dies auch tagtäglich tun, de wessen wat se schaldig sen, den duiden uch de Kinden (Die wissen, was Sie den Toten und den Kindern schulden). So heißt es in dem sächsischen Lied „Mir willen bleiwen, wat mer sin" (Wir wollen bleiben, was wir sind), dass selbstverständlich auch auf dem Reußner Treffen gesungen wurde.

Der letzte vom Verstorbenen geäußerte Wunsch war, dass der Friedhof in Reußen neu eingefriedet wird. Spenden für diesen Zweck können auf das Konto der HOG Reußen (Sparkasse Darmstadt, BLZ 508 501 50, Konto 40 002 359, Inh. Maria Rampelt), mit dem Vermerk „Johann Lauer/Friedhof" überwiesen werden.  

 


 

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