Eine siebenbürgisch-sächsische Trauerrede.

Nachruf (Abdankung) für Johann Lauer (1927-2006)


Nachruf für Johann Lauer, geboren am 6. September 1927, gestorben am 9. August 2006. Vorgetragen von Hans Wester am 15. August 2006  in der Leimener Friedhofskapelle.

PDF-Version 

1. Trost für die Hinterbliebenen

Liebe Trauerfamilien Lauer, Schloß, Winter, Baltes und Grosu, verehrte Trauergäste,

in Trauer und Ergriffenheit haben wir uns heute hier versammelt, um von eurem lieben Vater, Schwiegervater, Großvater und Lebensgefährten, unserem Freund und Landsmann Johann Lauer Abschied zu nehmen.
So schwer es uns auch fällt, wir müssen es hinnehmen, es ist von Gott für Ihn so bestimmt. Und so ist es gewollt, dass auch wir damit fertig werden.

Die Fragen warum? Warum musste alles so kommen? Wird Ihnen, wird uns keiner beantworten können.
Heute stehen wir nun an der Bahre unseres lieben Verstorbenen und müssen uns von ihm für immer verabschieden.
Die große Lücke, die Johann Lauer im Leben seiner Familie, seiner Freunde und Nachbarn und unserer siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft hinterlässt, schmerzt uns sehr. Viele haben ihn gekannt und geschätzt. Aber ganz besonders geschätzt wurden seine Erfahrungen und Ratschläge von seinen Kindern.

Mit den Angehörigen und allen, die Johann Lauer nahe standen, teile ich die tiefe Trauer und Bestürzung. Wir haben einen Menschen aus unserer Mitte verloren, dessen Schicksal uns in unserer Trauer verbindet. Seine Wahlheimat war in Bayern, aber er war auch oft bei seinen Kindern. Wenn er in Heidelberg weilte, nahm er auch an den Veranstaltungen der Kreisgruppe Mannheim-Heidelberg teil. Hier habe ich ihn als einen freundlichen hilfsbereiten Mann kennen gelernt.
Nun ist es für uns alle unvorstellbar, dass wir nicht mehr mit ihm sprechen können.

Sein Tod ereilte ihn plötzlich und unerwartet in seiner alten Heimat Siebenbürgen, kam aber in einer Zeit, wo er erreicht, was er sich vorgenommen hatte. Das passt zu ihm, und das tröstet uns.

Seine Familie hat Er über alles geliebt. Für sie hat er sich eingesetzt, für sie hat er gelebt. Bei all dem möchten wir es nicht versäumen, dem Verstorbenen ein allerletztes Mal zu danken. Wir können Ihm zwar nicht mehr den Dank erweisen den wir ihm schuldig sind, aber wir wissen, dass sein Leben von seiner Familie in seinem Geiste weiter geführt wird.

Johann Lauer war als echter Siebenbürger Sachse, stolz auf das Erbe seiner Vorfahren. Die Wirren des 20. Jahrhunderts brachten es mit sich, dass er, genauso wie viele andere, unsere sichtbaren historischen Zeugnisse, Kirchen, Burgen, Häuser, unsere seit über 8 Jahrhunderten angestammte Heimat verlassen musste. Umso mehr hat er sich an unser „unsichtbares Gepäck" u.a. den erlernten und erworbenen Handlungsmaximen geklammert. Es sind die Normen, nach denen ein einzelner sowie eine Gemeinschaft ihr gesamtes Handeln ausrichtet und damit wesentlich zur Identität derselben gehören.

In diesen Stunden der Trauer gelten unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme den Hinterbliebenen. Liebe Familie Lauer, Schloß, Winter, Baltes und Grosu, vor allem ihr braucht Kraft, um die tiefe Trauer zu überwinden.

Damit man Trauer verarbeiten kann, braucht es Zeit und Menschen, mit denen man über diesen Schmerz sprechen kann.
Die Anwesenheit so vieler Verwandter und Bekannter hier, sowie vieler Reußner, die zur Zeit in der alten Heimat den Glocken der Heimatkirche lauschend, in Gedanken bei Euch sind, zeigt euch, dass ihr mit eurer Trauer nicht alleine seid. Obwohl wir hier über die ganze Bundesrepublik verstreut leben, möchten wir heute und auch in der nächsten Zeit das Leid mit euch teilen. Tröstet euch damit, dass er teilweise ein schweres, aber sicher auch ein erfülltes Leben hatte.

2. Verstorbenen verabschieden

Der Verstorbene kam als Sohn von Johann Lauer und Katharina Lauer, geborene Hihn, in Reußen zur Welt. Er hatte eine unbeschwerte Kindheit und war das älteste von drei Kindern. Sein Bruder Michael verstarb bei einem Unfall 1983, seine Schwester befindet sich hier unter den Trauernden.

Bis zum 17. Lebensjahr besuchte er die Ackerbauschule in Hermannstadt. 1944 erhielt er den Landespreis der Ackerbauschüler und erwarb damit ein Stipendium für ein Studium in Deutschland. Es sollte aber alles anders kommen. Als Kind des blutigsten Jahrhunderts musste der Verstorbene auch die Abgründe der menschlichen Existenz erfahren.

Minderjährig, im Alter von 17. Jahren, wurde er im Januar 1945 zur Zwangsarbeit in die damalige Sowjetunion deportiert. Hier erlebte er Hunger und Kälte und musste mit ansehen, wie viele Leidensgenossen den Hungertod fanden. Kaum zurückgekehrt wurde er in die rumänische Armee als Arbeitssoldat eingezogen und diente in Deva, bei Fogarasch und am Donaukanal. Da er deutsch, rumänisch und mittlerweile auch russisch fließend sprach, wurde ihm angeboten, Politoffizier zu werden. Dies lehnte er selbstverständlich ab und beendete seine Militärzeit als einfacher Soldat.

1957 heiratete er Agnetha Hihn. Aus dieser Ehe gingen drei Kinder hervor: Johann, Katharina, Karin, sowie sechs Enkelkinder: Anita und Sonja Lauer, Michael, Anna, Eva und Andreas Schloß. Fünf davon sind Erwachsen, Andreas ist 15. Jahre. Diese hat er zeitlebens mit Liebe und tatkräftiger Unterstützung begleitet.

Beruflich konnte er sich vom einfachen Fabrikarbeiter zum kaufmännischen Mitarbeiter (merciolog principal) bei einem Gemüse- und Obsthandelunternehmen hocharbeiten, obwohl er nie Parteimitglied wurde. In der Gemeinde Reußen war er 16 Jahre als Presbyter aktiv.

Seiner Meinung nach war in Siebenbürgen kein menschenwürdiges Leben für ihn und seine Kinder mehr zu erwarten, daher hat er die Strapazen der Übersiedlung auf sich genommen und alle dortigen Sicherheiten (Haus und Hof) zurückgelassen.

1981 hatte er das Glück aus dem damaligen kommunistischen Land auszuwandern. Mit 54 Jahren, mit einem Koffer in der Hand, fing für ihn ein neues Leben in der Bundesrepublik an. Er kam nicht, um die Hand aufzuhalten, sondern wusste, dass man auch in Deutschland seinen Unterhalt verdienen musste.

Er war der Auffassung, dass wir Siebenbürger Sachsen unser „unsichtbares Gepäck" nur hier in der Bundesrepublik bewahren können. In einem Land, in dem der erste Artikel des Grundgesetzes lautet, „Die würde des Menschen ist unantastbar" und in dem auch die Bedingungen vorhanden sind, dass dies für jeden auch möglich ist.

In Deutschland war er 10 Jahre lang 2. Sprecher der Heimatortsgemeinschaft (HOG) Reußen. Insbesondere in den 80er Jahren als in Rumänien der Lebensmittelmangel am größten war, hat er sich für seine Landsleute eingesetzt und viele Pakete nach Rumänien verschickt, dabei die Kosten für Pakete an Freunde und Verwandte selber getragen.

1988 ging er in den Vorruhestand und konnte so, im Laufe der letzten Jahre, ein relativ sorgenfreies Leben führen und viel reisen. Er hat die positiven Wirkungen der modernen Medizin genutzt. Nur so war es möglich, dass er auch mit über 70 Jahren Reisen etwa nach Australien, China oder Südafrika machen konnte.

Nach seiner Reise im September 2005 an den Ort der Vertreibung in die Ukraine nach Dnjepropetrowsk, war es ihm ein besonderes Anliegen, einen Gedenkstein auf dem Friedhof in Reußen zu errichten, auf dem die Namen all derer stehen, die während der Russlanddeportation und im 2. Weltkrieg verstorbenen sind. Dies ist ihm gelungen, der Gedenkstein wurde in Anwesenheit von mehreren Persönlichkeiten und vieler Reußner Landsleute feierlich am 5. August 2006 während des Reußner Treffens eingeweiht.

Aus diesem Grund fuhr er dieses Jahr dreimal nach Rumänien. Sowohl mit der Ausführung des Denkmals als auch mit der würdevollen Einweihung desselben war er hoch zufrieden. Nun können die Reußner, so wie es in der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien am 08.August unter dem Titel „Zukunft braucht Herkunft“ zu lesen war „ihrer in der Kriegs- und Nachkriegszeit Verstorbenen am Dorffriedhof gedenken und hoffnungsvoll in die Zukunft blicken“.

Traurig, geradezu verbittert war er, als der Gemeinderat in Reußen drei Eschen auf dem Friedhof fällen ließ. Für ihn war dies eine Störung der Toten Ruhe, hieß es doch seit Generationen in Reußen, „Nur unter den drei Eschen finden wir unsere Ruhe". Aus diesem Anlass pflanzte er vor ein paar Jahren 25 Eschbäume auf dem Friedhof, davon sind 6 angegangen. Hoffentlich bleiben wenigstens drei übrig.

Johann Lauer ist wie alle Siebenbürger Sachsen seit Jahrhunderten vor ihm, in einem multikulturellen Umfeld aufgewachsen, d.h. er hatte keine Probleme damit, wenn jemand eine andere Lebensweise pflegte, eine andere Religion hatte, eine andere Sprache sprach oder andere Bräuche und Sitten als verbindlich erachtete. Jeder sollte nach seiner Facon selig werden, wie dies der alte Fritz sagte. Ein anderer Preuße, Immanuel Kant, lehrte uns, dass die negative Freiheit, tun und lassen was man will, nur die Voraussetzung der positiven Freiheit ist, die nicht nur autonome Entscheidungen forderte, sondern auch eine moralische Fundierung des eigenen Handelns.

Null-Toleranz hatte der Verstorbene daher gegenüber Einzelnen und Handlungsweisen bei denen er keine moralische Fundierung sah bzw. erkennen konnte. Dies hat er die Betreffenden auch wissen lassen. Er hat auch zeitlebens nicht die Kraft gefunden, denen zu verzeihen, die sich als willige Instrumente einem verbrecherischen System zur Verfügung gestellt hatten. So hat er auf seiner letzten Reise gesagt, „dort wohnte die Dolmetscherin, die Bekannte und Freunde verraten hat."

Liebe Trauergäste,

im Namen des Verstorbenen möchte ich alle bitten verzeiht ihm, wenn er jemanden beleidigt hat "verzoat em, wun he emest belidigt hout". Haltet ihm zu gute, dass er dies nicht mutwillig, geschweige denn aus Bosheit getan hat, sondern aus einer Verantwortung gegenüber dem Schicksal anderer und der Gemeinschaft.

3. Dank an die Trauergemeinde

Liebe Trauergemeinde,

im Namen der Angehörigen danke ich allen, die in diesen schweren Stunden den Hinterbliebenen mit Rat und Tat zur Seite standen.

Ein herzlicher Dank gilt Ihnen sehr geehrter Herr Pfarrer Löffler für die tröstenden Worte vor und während der Trauerfeier.
Ein Dankeschön an Pfarrer Klaus Untch, der in Weiden-bach/Siebenbürgen während des Todeskampfes alles mögliche unternahm, um das unvermeidliche zu verhindern, insbesondere aber dafür, dass er den Verstorbenen an Ort und Stelle im evangelischen Pfarrhaus von Weidenbach segnete, seinem Sohn, seinem Enkel und dessen Freundin Trost spendete und gemeinsam mit den anwesenden Gemeindemitgliedern erreichen konnte, dass der Leichnam in der Kirche aufgebahrt werden konnte und dass er am nächsten Tag um 8 Uhr die Aussegnung in der Kirche vornahm.

Ein Dank geht auch an mehrere, namentlich den Hinterbliebenen leider nicht bekannten älteren Menschen, die noch dort leben sowie Herrn Wolf, der aus Deutschland in seinem Heimatort auf Besuch war. Sie halfen, dass der Tote in würdiger Weise, so wie dies in Siebenbürgen üblich ist, aufgebahrt wurde.

Ein besonderer Dank geht an Pfarrer Michael Reger in Kerz. Seine letzten schönen Stunden seines Lebens hat der Verstorbene im Pfarrhaus bei diesem wunderbaren Menschen und dessen Gattin verbracht. Pfarrer Reger hat 25 Stunden nach dem Ableben von Johann Lauer einen Gedenkgottesdienst in Reußen gehalten. Anschließend wurde in Begleitung von 60 Reußner ein Kranz auf die vom Verstorbenen im Alleingang erstellte und auch finanzierte Gedenktafel gelegt. 5 Tage nach Einweihung der Gedenktafel wurde der erste Kranz für ihn niedergelegt. Lorenz Bausmerth hat, so wie dies in Reußen Sitte ist, abgedankt und neben Pfarrer Reger bewegende Worte gefunden. Herzlichen Dank dafür.
Ein Dankeschön geht an das Ehepaar Andreas und Agnetha Hihn, die am Donnerstagmorgen von dem Ableben erfuhren und für denselben Abend für 80 Personen einen Leichen-Schmaus organisierten und dafür, dass Andreas an der Gedenktafel mit der Posaune „Der gute Kamerad" spielte.

Ein weiterer Dank gilt Dieter Lauer, dessen Freundin und ihrer Mutter, die nach Weidenbach kamen. Ein Dankeschön dem Organisten Herrn Müller, sowie ganz speziell der Großscheuerner Blaskapelle, die aus Ingolstadt angereist ist und die Trauerfeier musikalisch begleitet.

Dank gebührt jedem Einzelnen von Ihnen, sowie den Reußner, die vor Ort am Gedenkgottesdienst teilgenommen haben und zu dieser Stunde auf dem Friedhof in Reußen beim Klang der Heimat- Glocken in Gedanken bei den Hinterbliebenen sind. Einfach durch unsere Anwesenheit hier wie dort tragen wir gemeinsam dazu bei, dass unser „unsichtbares Gepäck" sichtbar wird. Die starke Kraft der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft ermöglicht es den Hinterbliebenen, dass sie diesen Schicksalsschlag so ertragen, wie es seit Generationen üblich ist und der Verstorbene auch erwartet hätte.

Liebe Trauergäste,

die gemeinsame Trauerfeierlichkeit findet im Bürgersaal in Leimen, im Gasthaus „Zur Rose" Nusslocher Straße 14 statt. Im Namen der Hinterbliebenen Familien lade ich alle Anwesenden hierzu herzlich ein.

Der letzte Wunsch des Verstorbenen war, dass der Friedhof in Reußen neu eingefriedet wird. Spenden für diesen Zweck können auf das Konto der HOG Reußen mit dem Vermerk „Johann Lauer/Friedhof" überwiesen werden. (Sparkasse Darmstadt, BLZ 50850150, Konto 40002359, Inh. Maria Rampelt, falls jemand danach fragt, nicht vorlesen).

Im Namen aller möchte ich nun den Verstorbenen zum letzten Mal ansprechen: Lieber Johann, verzeih uns, wenn wir dich auf irgendeine Weise beleidigt haben, verzoa es, wun mir dich met est belidigt hun.

Im Namen aller Trauergäste und aller Siebenbürger Sachsen möchte ich Dir zum Abschied unseren letzten Wunsch überbringen: Ruhe in Frieden. Wir werden Dir ein ehrendes Andenken bewahren.
 


 

startseite
design: lauer
e-mail:
info@siebenbuergersachsen.de